Noch nicht? Aber das kann sich bald ändern. Es ist wohl nicht übertrieben, Joëlle Steur als Überfliegerin zu bezeichnen. Nicht nur, weil sie eine gute Tennisspielerin ist und in ihrer Altersklasse (U14) in Deutschland an Position zwei geführt wird. Die 14-Jährige hat viele Talente: Sie spricht vier Sprachen fließend und sie absolviert bereits im kommenden Jahr ihr Abitur. Tennis spielt Joëlle seit ihrem fünften Lebensjahr.
ihre Leidenschaft für den Tennissport entdeckte die 14-Jährige aber schon einige Jahre früher. Sie stammt aus einer klassischen Tennis-Familie. Mama Sylvia, die mit Mädchennamen Freye hieß, war in den 90er Jahren selbst Profi, wurde in der Weltrangliste unter den Top 300 geführt. Papa Fransciscus arbeitete viele Jahre als Tenniscoach und Bundesliga-Trainer, ehe er als Erfinder sein Geld verdiente. Die Eltern von Joëlle lernten sich auf dem Tennisplatz kennen – und gaben ihre eigene Faszination schnell an die Töchter weiter.
Joëlles neun Jahre ältere Schwester Julyette spielt bereits seit einigen Jahren Turniere auf ITF-Level und erzielte zuletzt mehrere Achtungserfolge – neben einem Turniersieg in Prag, erreichte sie in den letzten drei Monaten zwei Mal das Finale. „Julyette ist mein absolutes Vorbild“, sagt Joëlle. Auch bei ihr entstand der Traum von einer Profikarriere früh. „Joëlle auch, Joëlle auch“, rief sie immer, als wir mit unserer älteren Tochter auf dem Tennisplatz trainierten, erinnert sich Mama Steur. „Sie wollte ihrer Schwester unbedingt nacheifern.“
Vor vier Jahren zog Familie Steur aus den Niederlanden, der Heimat des Familienvaters, nach Spanien. Zum einen aus beruflichen Gründen, aber auch, um Joëlle bestmögliche Trainingsbedingen zu bieten. „In Spanien gibt es keine Schul-, sondern nur eine Lernpflicht“, erzählt Sylvia Steur. „In Deutschland und insbesondere in den Niederlanden ist die Schule mit dem Trainingspensum eines angehenden Profis wesentlich schlechter vereinbar.“ So beschloss die Familie, ihren Wohnsitz nach La Nucia in der Nähe von Alicante zu verlegen. Zunächst besuchte Joelle dort eine Privatschule, inzwischen lernt sie an einer niederländischen Onlineschule.
„Anfangs fiel es mir schwer, mich dafür zu motivieren“, verrät sie. Doch inzwischen hat sie sich nicht nur daran gewöhnt, sondern in Windeseile die 11. Klasse erreicht. „Ich beschäftige mich täglich zwei bis drei Stunden mit der Schule. Normale Klausuren kann ich im Beisein einer zugeschalteten Lehrerin schreiben, für die Abschlussprüfungen muss ich immer nach Holland.“ Diese Schulform scheint Joëlle zu liegen, im kommenden Jahr darf sie bereits das Abitur ablegen – danach kann sie sich dann voll und ganz auf das Tennisspielen konzentrieren.
Momentan trainiert sie vier Mal in der Woche mit ihrem niederländischen Trainer Jan-Wouter Roep, der sie auch auf Turnierreisen begleitet. Zusätzlich absolviert sie drei Konditions- und Athletikeinheiten bei Ludmila Engquist, einer früheren Weltmeisterin und Olympiasiegerin im Hürdenlauf. Zusätzlich gibt es einen engen Austausch mit Mike Diehl, dem Fitness- und Konditionscoach des deutschen Fed Cup-Teams. „Joëlle befindet sich noch im Wachstum, deswegen versuchen wir, alles behutsam aufzubauen. Erst mit 17, 18 Jahren muss es voll losgehen“, erzählt ihre Mutter, die sich als ehemaliger Profi und ausgebildeter Tenniscoach bestens auskennt.
Die Bemühungen der Eltern haben bereits erste Früchte getragen. In diesem Jahr wurde Joëlle Deutsche Meisterin bei den unter 14-Jährigen und spielte einige Turniere auf dem ITF Junior Circuit. Kürzlich trat sie sogar gemeinsam mit ihrer Schwester im Doppel bei einem ITF-Turnier in Serbien an – und gewann auf Anhieb den Titel. Damit ist sie aktuell die jüngste Deutsche, die ein Turnier auf diesem Level gewinnen konnte. „Das war eine tolle Erfahrung. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass ich mit den Damen auf dem Niveau auf keinen Fall mithalten kann“, sagt sie bescheiden.
Ihr Talent ist auch dem Deutschen Tennis Bund nicht verborgen geblieben, der sie im neu gegründeten Porsche Junior Team fördert. Barbara Rittner, Head of Women’s Tennis im DTB sagt: „Joëlle gefällt mir als Spielertyp gut. Sie ist eine vielseitige Spielerin, die die Bälle sauber trifft. Zudem ist sie ist ein aufgewecktes Mädchen, das mit viel Freude und Unbeschwertheit Spaß am Tennis hat – und sich gut quälen kann“.
Außerdem wird Joëlle noch vom Westfälischen Tennis-Verband (WTV) sowie ihrem Verein, dem Tennispark Versmold um den Vorsitzenden Hans-Ewald Reinert, unterstützt. Zum WTV hat Familie Steur eine besondere Beziehung, denn hier ist Mutter Sylvia groß geworden. Sie kommt aus Herford, wo ihre Eltern heute noch leben. „Für mich ist diese Region meine Heimat in Deutschland“, sagt Joëlle, die während ihrer Besuche immer im Leistungszentrum des Westfälischen Tennis-Verbandes in Kamen trainiert.
Als nächstes stehen für Joëlle die Deutschen Jugendhallenmeisterschaften im November auf dem Programm. „Hier möchte sich Joelle wieder bestmöglich präsentieren“, sagt Sylvia Steur westfälisch zurückhaltend. Joelle selbst formuliert ihr Ziel etwas konkreter, sie spielt auf Sieg. Der Titel in Essen wäre schließlich ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Tennisprofi – und das ist für Joëlle ihr absoluter „Traumjob.“