Es ist der 1. Oktober 1988 in Seoul, als Steffi Graf die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul gewann. Zuvor hatte sie schon alle vier Grand Slam-Turniere für sich entschieden, bis dato eine einmalige Leistung, die bislang von keinem Tennisprofi bei den Herren und Damen erreicht wurde…
Die Sportwelt blickt in diesem Jahr, 1988, fasziniert auf Steffi Graf, die mit dem größten Erfolg ihrer Karriere Tennisgeschichte schreibt. Sie ist gerade einmal 18 und später dann 19 Jahre alt, als sie zunächst alle vier Grand Slam-Turniere in Folge gewinnt – Australian Open, French Open, Wimbledon, US Open – und am 1. Oktober auf dem Court im Olympic Park von Seoul die goldene Krönung folgen lässt: Im Finale des Olympischen Tennisturniers bezwingt sie ihre argentinische Rivalin und Freundin Gabriela Sabatini mit 6:3, 6:3. Graf läuft nach dem Handshake jubelnd Richtung Tribüne, in die Arme ihrer Familie und von Fed Cup-Teamchef Klaus Hofsäss. Ein paar Minuten später baumelt die Goldmedaille um ihren Hals. Sie, die Überfliegerin schlechthin, winkt ins weite Rund – überwältigt von ihrem einmaligen Erfolg und doch vergleichsweise gefasst, so, wie es in ihrer 17 Jahre langen Karriere bis auf wenige Ausnahmen stets ihre Art gewesen ist.
Grafs Reise zum sogenannten Golden Slam beginnt am 23. Januar 1988 in Melbourne: Der Weg ins Finale der Australian Open gleicht einem lockeren Warm-up. Ohne Satzverlust stürmt sie ins Endspiel, trifft dort auf die Amerikanerin Chris Evert. Graf gewinnt 6:1, 7:6. Rod Laver, dem 1962 und 1969 jener Coup geglückt war, alle vier Grand Slam-Turniere in einem Jahr zu gewinnen, prophezeit damals: „Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der Steffi in dieser Saison besiegen kann.“ Der Australier soll Recht behalten.
Gute fünf Monate später, der 4. Juni 1988: Im kürzesten Grand Slam-Finale der Tennisgeschichte bezwingt Graf die 17-jährige Russin Natascha Zvereva 6:0, 6:0 – in gerade einmal 32 Minuten. Im gesamten Turnierverlauf gibt die Deutsche wie bereits in Down Under keinen einzigen Satz ab. Die Sportwelt verneigt sich, Chapeau.
Wimbledon, All England Club, 2. Juli 1988: Ein Generationenduell im Finale. Martina Navratilova, 32, achtmalige Titelträgerin, gegen Graf, 13 Jahre jünger und für fast alle internationalen Experten die künftige Herrscherin der Damentour. An gleicher Stelle zwölf Monate zuvor hatte noch die Amerikanerin, die „alte Dame“ gewonnen – doch diesmal ist die junge Deutsche nicht zu stoppen. Sie schafft das, wovon sie seit der Kindheit träumte und triumphiert beim prestigeträchtigsten Tennisturnier der Welt. 5:7, 6:2, 6:1 lauten jene Zahlen, die Graf zur ersten deutschen Siegerin an der Church Road seit Cilly Aussem 1931 machen. „Das ist der schönste Moment in meinem Leben“, jubelt sie. Nur noch ein Schritt fehlt zum Kalender-Grand Slam.
Er folgt in Flushing Meadows, New York: Graf trifft im Finale auf Gabriela Sabatini, die einzige Spielerin auf der Tour, gegen die sie in diesem Jahr bereits Niederlagen kassieren musste. Doch nicht an diesem 10. September 1988. Um 15.14 Uhr Ortszeit verwandelt sie ihren ersten Matchball zum 6:3, 3:6, 6:1-Sieg. Das Wunder ist (fast) perfekt.
Bundeskanzler Helmut Kohl gratuliert in einem Glückwunschschreiben: „Wir sind stolz, dass Ihnen dieser Erfolg als erste Deutsche gelungen ist“. Philipp Jenninger, Präsident des Deutschen Bundestages, adelt Graf: „Sie ist eine Botschafterin Deutschlands über den Sport hinaus, denn sie wirbt mit ihrer Leistung und Natürlichkeit in der ganzen Welt für unser Land.“ Fünf Grand Slams hat Graf zu diesem Zeitpunkt nun gewonnen (1987 in Roland Garros siegte sie zum ersten Mal). 17 weitere sollen bis 1999 folgen.
Wenige Wochen nach dem historischen Moment von Flushing Meadows vollendet die Gräfin, wie sie oft genannt wird, ihr Meisterwerk. Das Olympia-Finale – wieder ein unvergessenes Duell mit Sabatini. Und ein Happy End, das bis heute in der deutschen und internationalen Sportgeschichte einmalig ist. Der Golden Slam. Fünf Siege für die Ewigkeit.