Michael Stich, einst die Nummer zwei der Weltrangliste, wird am Donnerstag 50 Jahre alt. Anlässlich seines runden Geburtstags ein Rückblick auf die größten Triumphe und bewegende Momente in der Karriere des Wimbledonsiegers von 1991.
Wenn man an Michael Stich denkt und auf die großen Erfolge seiner Karriere zurückblickt, muss man mit dem Jahr 1991 beginnen. Wir reisen also 27 Jahre zurück, in die goldenen 90er-Jahre. Bei den French Open in Roland Garros erreicht der „Schlacks aus Elmshorn“, so wird der 1,93-Meter-Mann während seiner aktiven Zeit häufig genannt, zum ersten Mal das Halbfinale, er katapultiert sich damit unter in die Top Ten der ATP-Weltrangliste. Wenige Wochen später folgt ein Traumlauf in Wimbledon.
Stich stürmt mit begeisterndem Serve-and-Volley-Spiel und mit Siegen über Jim Courier und die Nummer eins Stefan Edberg in sein erstes Grand Slam-Endspiel. Das Finale ist auch fast drei Jahrzehnte später unvergessen. Stich gegen Boris Becker. Die großen Rivalen im Duell um den wichtigsten Tennistitel der Welt – bis heute das einzige deutsche Finale im All England Club. Kaum einer setzt einen Penny auf den zuweilen kühl wirkenden Außenseiter aus Norddeutschland. Becker, der Liebling der Massen, der dreifache Champion, ist in seinem „Wohnzimmer“ der große Favorit. Am Ende spielt Stich ein perfektes Match: 6:4, 7:6, 6:4 – ein Ergebnis für die Ewigkeit, das eine der größten Rivalitäten in der deutschen Sportgeschichte auf ein neues Level hebt.
Becker gegen Stich – das war über viele Jahre ein intensiver Konkurrenzkampf. Um Punkte, um Matches, um Anerkennung. Und doch ging es auch um gemeinsame Leidenschaft für den Tennissport. 1992 treten beide zusammen bei den Olympischen Sommerspielen von Barcelona im Doppel an. Das Motto der Veranstaltung lautet damals „Amics per sempre“, also zu Deutsch „Freunde für immer.“ Und das leben Becker und Stich, zumindest für dieses Turnier. Seite an Seite kämpfen sie sich bis ins Finale – und schließen ihre „Mission Gold“ erfolgreich ab. 7:6, 4:6, 7:6, 6:3 bezwingen sie die Südafrikaner Wayne Ferreira und Piet Norval. Wieder so ein historisches Ergebnis, das in Erinnerung bleibt. Für Stich ist es der zweite große Doppeltriumph des Jahres. Denn in Wimbledon holte er Wochen zuvor an der Seite von John McEnroe ebenfalls den Titel.
Die goldenen Zeiten gehen weiter. 1993 gewinnt Stich sechs Turniere – darunter sein emotionaler Heimtriumph am Hamburger Rothenbaum – und klettert bis auf Rang zwei der Weltrangliste. Mitte November siegt er bei der ATP-Weltmeisterschaft in der Frankfurter Festhalle, bezwingt den Weltranglistenersten Pete Sampras im Finale 7:6, 2:6, 7:6, 6:2. Er tritt auch hier in die Fußstapfen des Dauerrivalen Becker, der das „Masters“ bis dato bereits zweimal gewonnen hatte. Bei der Siegerehrung fließen Tränen, wie so häufig bei Stich in emotionalen Momenten. Stich wird weltweit als begnadeter Techniker gefeiert. Sampras adelt seinen Kontrahenten: „Wenn wir alle unser bestes Tennis spielen, dann ist Stich der Beste.“ Die Krönung einer überragenden Saison folgt zwei Wochen später: Im Davis Cup-Finale von Düsseldorf führt Stich das deutsche Team (Patrik Kühnen, Carl-Uwe Steeb, Marc-Kevin Goellner, Kapitän Niki Pilic) gegen Australien zum insgesamt dritten und bis heute letzten Titel.
Nach dem Höhenflug folgen durchwachsene Jahre mit einzelnen Highlights. Zwar gewinnt Stich 1994 in München und Halle zwei weitere Titel auf deutschem Boden – insgesamt stemmt er in seiner Karriere bei allen ATP-Events in Deutschland die Siegertrophäe! – und auch beim World Team Cup in Düsseldorf trägt Stich als Führungsspieler entscheidend zum Titelgewinn bei. Auf der großen Bühne jedoch glückt ihm nur bei den US Open der Finaleinzug gegen Andre Agassi. Den Sprung auf Platz eins der Weltrangliste, den viele Experten bloß als eine Frage der Zeit bezeichnet hatten, misslingt. Ebenso wie der Traum von der Titelverteidigung im Davis Cup. Zuhause am Hamburger Rothenbaum unterliegt „Team Germany“, wieder mit Stich als Leitwolf, im Halbfinale Russland.
1995 durchlebt Stich das wohl bitterste Jahr seiner Karriere. Bei den Grand Slams läuft es nicht rund, in Wimbledon scheitert er sogar in Runde eins. Im September dann die Revanche im Davis Cup gegen Russland. Wieder Halbfinale. Diesmal zusammen mit Boris Becker im Team. In der Moskauer Olympiahalle wird Stich zur tragischen Figur. Im letzten und entscheidenden Einzel vergibt er gegen Andrej Chesnokov neun Matchbälle bei eigenem Aufschlag – und verliert das Match. Deutschland verpasst den sicher geglaubten Endspieleinzug und das „Jahrhundertfinale“ zuhause gegen die USA mit Pete Sampras und Andre Agassi. Wenige Wochen später knickt Stich beim Turnier in Wien um. Diagnose: Bänderriss und Beschädigung der Kapsel im linken Sprunggelenk – das Saison-Aus.
Das Jahr 1996 beginnt für Stich mit einem kleinen Comeback. In Antwerpen holt er sich bei seinem zweiten Auftritt nach der Verletzungspause den Titel – und knickt gleich eine Woche später in Mailand wieder um. Erneut drei Monate Pause. In Rom kehrt er zurück auf die Tour, es läuft bescheiden. Stich liebäugelt mit einer Absage für die French Open, um sich stattdessen auf Wimbledon vorzubereiten. Doch sein Team überredet ihn, in Roland Garros aufzuschlagen. Unbekümmert und ohne große Erwartungshaltung bezwingt er im Achtelfinale Titelverteidiger Thomas Muster, der damals auf Sand als fast unbesiegbar gilt. Erst im Finale scheitert Stich an Yevgeny Kafelnikov.
Etwas mehr als ein Jahr später: Die rechte Schulter schmerzt, eine chronische Verletzung, die dem langjährigen Davis Cup-Spieler den Spaß am Tennis raubt und ihn letztlich zum Rücktritt zwingt. Mit nur 28 Jahren beendet Stich seine Karriere. Sein letztes Match bestreitet er am 4. Juli 1997, das Halbfinale von Wimbledon. Gegen Cedric Pioline verliert er einen Fünfsatz-Kampf, verpasst hauchdünn ein weiteres großes Finale. Game, Set & Match für die Karriere als Leistungssportler.
Nach der aktiven Karriere steht zunächst das ehrenamtliche Engagement im Fokus. Bereits während seiner aktiven Karriere gründete er die Michael-Stich-Stiftung, die sich dem Kampf gegen HIV und AIDS widmet. Den Kontakt zu seiner großen Liebe Tennis hält er dennoch – vor allem als Turnierdirektor der German Open am Rothenbaum. Ein Job, den er neun Jahre lang mit viel Herzblut und großem Engagement ausübt. Im Juli 2018 wird ihm schließlich die größte Ehre für einen Tennisspieler zuteil: Als sechster Deutscher wird er in Newport in die Hall of Fame des Tennissports aufgenommen. Eine angemessene Anerkennung für eine großartige Karriere.